Bundesarbeitsgericht: Pauschalabgeltung von Übsterstunden

Eine Vertragsklausel, wonach „erforderliche Überstunden mit dem Monatsgehalt abgegolten sind“, ist unwirksam, wenn sich der Umfang der danach ohne zusätzliche Vergütung zu leistenden Überstunden nicht hinreichend deutlich aus dem Arbeitsvertrag ergibt.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) musste sich in einem Urteil vom 1. September 2010 – 5 AZR 517/09 – mit der Frage der Zulässigkeit von Pauschalierungsabreden auseinandersetzen. Überstunden (Mehrarbeitsstunden), die über die vereinbarte Arbeitszeit hinausgehen, sind zusätzlich zu vergüten. Grundsätzlich ist es jedoch zulässig, arbeitsvertraglich eine pauschale Abgeltung von Überstunden zu vereinbaren, soweit dies nicht gegen tarifliche Bestimmungen verstößt. Für die Angestellten und Poliere des Baugewerbes ergibt sich aus § 3 Nr. 3.1 RTV Angestellte, dass zur Abgeltung von Überstunden eine angemessene monatliche Pauschalzahlung vereinbart werden kann. Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht nunmehr sehr strenge Anforderungen an die Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung in einem vom Arbeitgeber verwendeten Formulararbeitsvertrag, der der AGB-Kontrolle unterliegt, aufgestellt.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Parteien streiten über die Vergütung von Überstunden. Der Kläger war bei der Beklagten als Leiter eines Hochregellagers beschäftigt. Aus dem Arbeitsvertrag ergab sich u. a. die Regelung, dass die Beschäftigung entsprechend den jeweiligen Betriebserfordernissen im Schichtsystem erfolgt und der Kläger sich bereit erklärt, seine Arbeitsleistung bei betrieblicher Notwendigkeit auch an Samstagen sowie in der Nachtzeit, an Wochenenden und an Feiertagen zu erbringen. Überstunden seien zu leisten, sofern sie zur Erfüllung der vertraglich geschuldeten Leistungen erforderlich sind. Der Kläger erhielt ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 3.000 Euro. Dieses bezog sich laut Arbeitsvertrag auf eine Wochenarbeitszeit von 45 Stunden, wovon 38 Normalstunden und 7 Mehrarbeitsstunden seien. Mit der monatlichen Vergütung seien „erforderliche Überstunden abgegolten“. Auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers wurden alle Arbeitsstunden, die über 45 Wochenstunden hinausgingen, als Mehrarbeit gutgeschrieben. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses wies das Arbeitszeitkonto ein Guthaben von 102 Stunden aus. Der Kläger machte die Vergütung dieser 102 Guthabenstunden geltend. Die Beklagte war der Auffassung, dass diese Überstunden mit dem monatlichen Gehalt entsprechend der vertraglichen Vereinbarung abgegolten seien.

Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Dem Urteil sind folgende Leitsätze zu entnehmen:

1.    Die Klausel in einem Formulararbeitsvertrag, wonach erforderliche Überstunden mit dem Monatsgehalt abgegolten sind, genügt nicht dem Transparenzgebot, wenn sich der Umfang der danach ohne zusätzliche Vergütung zu leistenden Überstunden nicht hinreichend deutlich aus dem Arbeitsvertrag ergibt.

2.    Nach dem Bestimmtheitsgebot ist eine Pauschalabgeltung von Überstunden zudem nur dann wirksam, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistung konkret geschuldet ist. Der Arbeitnehmer muss bereits bei Vertragsschluss erkennen können, welche Leistungen er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss.

3.    Ist der Umfang der über die vereinbarte Wochenarbeitszeit hinaus zu leistenden Arbeitsstunden nicht bestimmt oder bestimmbar, kann der Arbeitnehmer nicht zu einer unbezahlten Arbeitsleistung verpflichtet werden. Zumindest muss sich aus der Vereinbarung erkennen lassen, ob eine Begrenzung auf die nach dem Arbeitszeitgesetz zulässige Höchstarbeitszeit vorgesehen ist.

Das BAG hat im vorliegenden Fall einen Anspruch auf Vergütung der Überstunden auf der Grundlage von § 612 Abs. 1 BGB bejaht, weil die arbeitsvertragliche Regelung zur Abgeltung der Überstunden eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers nach § 307 Abs. 1 BGB darstelle und somit unwirksam sei. Die in bestimmter Höhe gewährte Arbeitsvergütung stelle nicht den vollen Gegenwert für die erbrachte Arbeitsleistung einschließlich Überstunden dar. Hinsichtlich der Guthabenstunden habe es zwischen den Parteien keine Vergütungsabrede gegeben. Da es sich hierbei um die Hauptleistungspflichten der Vertragsparteien aus dem Arbeitsverhältnis handele, würden diese der Transparenzkontrolle unterliegen.

Quelle: BAUDIREKT / Heft 7/2011: Rubrik: „Arbeits- und Sozialrecht“